Wenn wir den Rohbrand als „ungeschliffenen Diamant“ bezeichnen, dann kommt das der eigentlichen Sache unglaublich nah, denn er ist quasi die Eizelle des späteren Whiskys. Fast alle Merkmale des voll entwickelten Endprodukts werden bereits in diesem Stadium festgelegt, es fehlt dann später nur noch am Feinschliff und der abschließenden Lagerung.
Zurück in unserer Destille können wir froh sein, dass die Getreidemühle, obwohl in der großen Halle platziert, hinter staubdichte Türen verbannt wurde. Das Schroten des angelieferten Malzes ist eine nicht unbeträchtlich staubige Angelegenheit. Und es dauert lange bis die Mühle ihr zerteilendes Handwerk verrichtet hat, denn einige Tonnen Malz wollen langsam und ohne übermäßige Wärmeentwicklung ihren Aggregatzustand von Korn zu Schrot verändern.
Ein hastiges Schroten führt zu unerwünschter Reibungshitze (hier spricht unser Brennmeister aus Erfahrung), die den Zuckergehalt des Malzes herabsetzen könnte.
Eine gefühlte Ewigkeit später ist es geschafft, das geschrotete Malz landet in den großen Maischebottichen. Dort empfängt es eine vierfache Übermacht von reinstem Wasser, das über den hauseigenen Brunnen aus über 20 Metern Tiefe gefördert wird und sich glücklich schätzen darf, zu einem Bestandteil edelsten Whiskys geadelt zu werden.
Kaum haben sich Wasser und Schrot vermählt wird es warm. Bei ca. 60° Celsius wird die Umwandlung von Malzstärke in Malzzucker vorangetrieben, bis nach einem halbem Tag eine klare Malzzuckerlösung von den festen Bestandteilen im Bottich getrennt werden kann.
Der übriggebliebene Treber eignet sich immerhin noch zur Weiternutzung als Tierfutter, die Kühe und Schweine des Nachbarhofs können sich also glücklich schätzen. Die entstandene Malzzuckerlösung nennen wir nun „wort“, was man allgemein mit „Würze“ übersetzt. Ganz entspannt lassen wir sie auf Körpertemperatur abkühlen, um dann eine spezielle Hefe zusetzen zu können, die den folgenden Gärprozeß einleiten soll.
Während wir die Anlieferung von Malz organisiert haben, war unser Brennmeister nicht untätig und hat auf Grund seiner Erfahrung die optimalen Hefestämme für diese Aufgabe erwählt.
Dann arbeitet die Natur in Form von Hefebakterien für uns. Anfeuern nutzt dabei nichts, 5 Tage gehen ins Land. Schneller geht es nun einmal nicht, bis die ca. 10% Alkoholgehalt erreicht sind, die für den nächsten Arbeitsschritt benötigt werden. Mutter Natur nimmt sich Zeit, da können wir mit den Füßen scharren, wie wir wollen.
Dann endlich, der eigentliche Rohbrand.
20 Stockwerke erklimmt das Rohprodukt, 14 Maische- und 6 Verstärkerböden gibt die zur Gänze aus Kupfer gefertigte Kolonnenanlage vor. Von Boden zu Boden erhöht sich dabei der Alkoholgehalt des Rohbrands.
60 Jahre ist die Kolonnenanlage alt, gute 15 Meter hoch, endlich die Erklärung für den charakteristischen Turm, der in der Mitte der Destillerie aufragt. Ursprünglich gebaut, um Kornbrand herzustellen, nun genau die richtige Wahl für unser Projekt.
20 Böden der Kolonne hört sich nach viel an, ist aber deutlich weniger als moderne Kolonnenanlagen vorweisen, die mit deutlich mehr Böden gar nicht anders können, als die magische Grenze von 94,8% Alkohol zu reißen.
Die EU hat nämlich unter anderem festgelegt, dass dies die Grenze für Whisky ist, die beim Brennen nicht überschritten werden darf.
Damit schauen all die in die Röhre, deren hochtechnische Anlagen "nur" reinen Kornbrand produzieren können, für den es eine derartige Obergrenze nicht gibt. Weniger ist eben manchmal doch mehr.
Gute 80% Alkohol kommen bei unserem ersten Brennvorgang heraus, dass passt.